Nele Ströbel

Bildhauerin

spacework urbanwork

nele.stroebel@bigfoot.com

Temporäre Installationen
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Der andere Garten_ urban gardening in Neukölln 2014

(Ein begehbares Tagebuch zum Hortus Conclusus)

 

Katalog zur Rauminstallation mit Holz- und Terrakottaskulpturen, Fotografien, Videoloops und Zeichnungen

Inhalte im 84 Seitigen Katalog:
S.06 Vorwort Museumsleiterin Brigitta Petschek-Sommer
S.12 Urban Gardening - eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem städtischen Phänomen, Dr. Gudrun Pamme-Vogelsang
S.20  „Der andere Garten“ Urban Gardening oder der Hortus Conclusus im Kiez. Eine multimediale Stadtwanderung, Nele Ströbel
S.32 Urban Gardening in der Beschleunigungsgesellschaft,  Dr. Christa Müller
S, 47 Hohe Gebäude in Südostasien - eine humanistische Annäherung an das tropische Hochhaus, WOHA Singapore
S.68 Statements,  Sébastien Godon
S 72 Subversive Intervention – Pflanzen bestickt, Sybille Loew

Urban Gardening - eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem städtischen Phänomen

von Dr. Gudrun Pamme-Vogelsang, Köln

Im Stadtmuseum Deggendorf präsentiert die Bildhauerin Nele Ströbel erstmals ihr
„begehbares Tagebuch“ zum Thema Urban Gardening und Guerillagardening - einer
gegenwärtigen hoch aktuellen sozialen Bewegung im Stadtraum. Ort ihrer künstlerischen Erforschungen ist Berlin-Neukölln.
Nele Ströbel ist seit vielen Jahren in nahen und fernen Ländern unterwegs um das
Zusammenspiel spezifischer Topographien und den dort lebenden, handelnden und
gestaltenden Menschen in ihren sozial-gesellschaftlichen Strukturen zu untersuchen. Von dem jeweils konkreten Ort macht sie sich mit ihren gewählten Materialien und
Ausdrucksmitteln- im wahrsten Sinne des Wortes - ein Bild. Nicht als Vedutenmalerin<, wie ihre Vorfahren, sondern als Erforscherin von erlebten, erinnerten und gegenwärtigen  menschlichen (Handlungs-) räumen, besuchte Ströbel z.B. die Städte Damaskus, Isfahan und Kairo, Chittagong in Bangladesh, oder auch 15 Frauenklöster in Bayern. Die Ergebnisse dieser letztgenannten, innerdeutschen Reise präsentierte sie erstmals unter dem Titel „Hortus Conclusus“ im Jahr 2006.
Ihr „Urban Gardening“ Projekt kann als fast nahtlose Fortsetzung des „Hortus Conclusus“ Projektes betrachtet werden – statt der Nonnen handeln jetzt die Stadtbewohner, statt des stillen, abgeschiedenen und meditativen Klostergartens ist nunmehr die quirlige, schrille Stadt der Raum, in dem sich die Handlung abspielt.
Seit 2011 hat Nele Ströbel ihren zweiten Wohnsitz in Berlin-Kreuzberg und
selbstverständlich ist sie dort mit wachem, wissbegierigem Auge unterwegs. Sie entdeckte das Phänomen des Gärtnerns in der Stadt – einer neuen Überlebensstrategie des gehetzten, oft sozial und/oder materiell verarmten Stadtmenschen der globalisierten „Beschleunigungsgesellschaft“, der die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten, überschaubaren und verständigen Leben zu stillen sucht.

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Als Künstlerin bezieht Nele Ströbel konsequent einen ´Beobachtungsposten` und
vermeidet in ihrer künstlerischen Reflexion jedwede Form von eigener Betroffenheit oder Sozialkritik(kitsch). Vergleichbar Paul Cézanne, der „parallel zur Natur“ malte und das gesehene Motiv dekonstruierte um es dann auf der Leinwand neu zu konstruieren, geht Nele Ströbel in ihrer Arbeit vor.
So entstehen Fotos, Filme, erste Zeichnungen und Aquarelle an Hand derer Ströbel sich das Thema verinnerlicht. Diese makro- und mikroskopischen Eindrücke ‚gießt’ sie im nächsten Arbeitsschritt in ein Material das ursächlich mit der Natur verbunden ist –vorzugsweise Holz und Ton. Die auf diese Art neu konstruierten, abstrakten Formen sind autonome Kunstwerke, die in engster Wechselbeziehung zum Ausgangsthema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung stehen und dadurch die Spannung zwischen den Polen Natur und Kultur völlig neu erlebbar machen.
In den Holzarbeiten greift Ströbel die Einzäunungen z.B. von innerstädtischen
Baumscheiben an vielbefahrenen Straßenrändern oder in Schrebergärten auf. Aus
Brettern hat sie mit Hilfe des Kurvenlineals ganze Stücke heraus gesägt. So entstehen aus einem Stück Holz gleich zwei Skulpturen, die mit ihren Auslassungen den inneren und äußeren Raum miteinander verbinden. Die einbeschriebenen, herausgeschnittenen amorphen Figuren wiederum gewinnen einen wesenhaften Charakter.
Nebeneinander gestellt entwickeln die Skulpturen einen wunderbaren Rhythmus scheinbar tanzender Formen. Ströbel bezeichnet diese Arbeiten als „musikalische Zäune“. Abermals gelingt es der Künstlerin, Idee und Form sehr poetisch und sinnlich so miteinander zu verbinden, dass in der Skulptur die Komplexität des Themas, das Urban Gardening, maximal abstrahiert und verdichtet wird.
Die Form des Kurvenlineals hat die Künstlerin bereits den sogenannten
„Wandelhölzern“(1) einbeschrieben. In diesen konzentriert sich der geistige und
substantielle Gehalt des Klostergartens und den darin arbeitenden und meditierenden Schwestern. In Berlin- Neukölln greifen die Holzarbeiten „die Baumscheibe als Hortus Conclusus am Straßenrand“ (Ströbel) auf und verweisen mit den ´tanzenden Figuren` auf die vielen unermüdlichen GärtnerInnen und den sozial-utopischen Gehalt, der mit Urban Gardening verbunden ist.
Ein weiteres Resultat der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem >Stadtgarten< sind Tonarbeiten, die inhaltlich mit der Gartenarbeit in Verbindung stehen: mit Pflanzen und Früchten, deren Anzucht, Wachsen, Verwerten, dem fortwährenden Kreislauf der Natur.

Hier wagt Ströbel den mikroskopischen Blick und gibt damit dem Betrachter viel Raum für eigene Assoziationen.
Vergleichbar den Biologen und Medizinern, die in Petrischalen Zellkulturen anlegen,
´kultiviert` die Bildhauerin mit Ton ihre Bilderfindungen. Der Betrachter schaut auf eine große Anzahl Gefäße, die dicht angeordnet an molekularer Zellstrukturen erinnern: ein wucherndes Wachstum undefinierbarer Kulturen, die mehr oder weniger auf Pflanzen und Realien des urbanen Lebens und Gärtnerns verweisen. Zu dieser Werkgruppe gehören auch „Stillleben“, die ebenfalls aus Ton modelliert sind.
Mit ihrer künstlerisch multimedialen Inszenierung der Ausstellung schafft Ströbel im
Zusammenspiel ihrer plastischen Arbeiten, den analytischen Zeichnungen, Projektionen und Rauminstallationen einen neuen utopischen Ort, der den Besucher im Spannungsfeld zwischen analogen und digitalen, zwei- und dreidimensionalen Erlebnisräumen neue Lebenswelten für sich entdecken bzw. entwickeln lässt.
„Gärten sind zeichenhafte, vielfältig konnotierte Räume. Sie inspirieren meine Arbeit zum Hortus Conclusus in der Stadt.“, so Nele Ströbel. Indem Ströbel ihre Arbeiten
vermeintlichen Alltagsgütern anhaftet, sich gleichsam in die Geschichten mit ihren
Arbeiten einklinkt – und zwar mit neuen Geschichten – verdichtet sie die verschiedenen Zeit- und Erlebnisräume und verweist auf aktuelle städtische Wandlungsprozesse, die den Bedingungen von Kommunikation und Interaktionen unterliegen.

Als die Künstlerin im Sommer 2006 ihre Klosterreise unternahm und die Nonnen zu ihren Klostergärten befragte, antwortete eine Schwester mit einem Zitat von Dieter Künast: „Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er erfordert das, was unserer Gesellschaft am kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum.“ (2) – Lebensqualitäten, die Urban Gardening und Guerillagardening für die Großstadt zurückerobern will.
Nele Ströbel hat den Gärtnerinnen und Gärtnern, „die auf oft sehr berührende Weise den urbanen Raum gestalten und mit Leben füllen“ (Ströbel) ein Denkmal gesetzt und zugleich  dieser utopischen Idee eine konkrete künstlerische Form gegeben.

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Bilduntertitel:

P1170931 Kopie.jpgmusikalische Zäune“ vor >botanischen Zeichnungen< auf Operafolie
Projektion über intros aus der urban gardening Serie.jpgFilmsequenzen (3 mit Musik vertonte Videoloops) und „Intro-Plastiken“ (klingende, halbkugelförmige Petrischalen aus hochgebrannter Terrakotta als 55 teilige Bodeninstallation >Der andere Garten< 2013/14

 

 

rasenstueck druck (4).JPG„Rasenstücke“ aus Terrakotta für die Wand, (Reliefvariationen in Anlehnung an „Das große Rasenstück“ Aquarell von Albrecht Dürer 1503), 2014
Gesamtraum 70 m² große Suedfenster..jpg

 

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